Foto: Christine Wick
Foto: Christina Marx
Vorwärts/Rückwärts
contemporary chamber jazz from Berlin
Maike Hilbig – Kontrabass
Johannes Fink – Cello
Gerhard Gschlößl – Posaune
Die drei gehen direkt (vorwärts und rückwärts) auf das Ziel los, auch wenn es zunächst nur verschwommen vor ihnen liegt. Und sie werden, wenn sie angekommen sind, die überschrittenen Grenzen nicht bemerkt haben. Das ist sehr gut.
In ihren Kompositionen verquirlen sie die b-sides ihrer Jugend mit kammermusikalischem Freejazz. Daraus entstehen Stücke, gespickt von Unplanbarkeit und Ausschweifung.
Aber gerade das erzeugt die Authentizität, durch die die Musik zum Erlebnis wird und ihre eigene Qualität bekommt.
Die Bassistin und Komponistin Maike Hilbig präsentiert das brandneue Programm ihres Trios. Sie ist 2005 nach Berlin gekommen und hat ihre Spuren in der deutschen Jazzszene immer tiefer getreten. Mit Johannes Fink am Cello und Gerhard Gschlößl an der Posaune trägt sie den typischen „Berlin Sound“ der frühen 90er weiter ins Jetzt.
Ihr erstes Album erschien 2015 bei dem neuen Berliner Label Trouble in the East Records. Das zweite ist seit Sommer 2019 erhältlich.
Moderne europäische Improvisationsmusik, zweimal mit Maike Hilbig am Kontrabass. Das ist klug arrangiert, fein gespielt und mit dem außergewöhnlichen Instrumentarium stets interessant und spannend. Posaune und Cello geben immer wieder die Richtung in einem Stück vor. Die beweglichen Basslinien umschmeicheln das Konstrukt. Da gibt es viel zu hören, einiges zu staunen und immer wieder innezuhalten, bei überraschenden Wendungen und besonderen Lösungen (aus dem Dickicht der komplexen Verästelungen). Wenn dann plötzlich die Posaune den Bass umspielt, ist man längst nicht mehr überrascht, sondern freut sich einfach ob der entspannten, gut aufgenommenen Töne, die aus den Lautsprechern kommen. Wie schon im überzeugenden Vorgänger (Vorwärts, 2014) gelingt es den drei Musikern auch diesmal bei allen Stücken (lauter Eigenkompositionen) zu überzeugen. Der Damenzweier aus dem selben Stall (Trouble in the East) ist eine kammermusikalische Kostbarkeit. Voller Delikatesse, mit ausgesuchtem Raffinement einer strukturierten Ästhetik, die ihresgleichen sucht. Mit sparsamen Mitteln werden Stimmungen erzeugt, Geschichten erzählt. Da hat man nie das Gefühl mit Tönen zugemüllt zu werden, sondern kann die luftige Kargheit des Duospiels genießen. Das Miteinander verschwindet dabei manchmal, und das macht gar nichts, aus allen Umwegen entstehen doch wieder gemeinsame Lösungen. Auch die nächste Tür kann manchmal die richtige sein, wie sich dabei herausstellt. Saxofon und Kontrabass als kluge Gefährten auf dem Weg zum gelungenen Abend. Wunderbar. Bitte weitersagen! (ernst)
Rigobert Dittmann (Bad Alchemy, März 2018):
VORWÄRTS/RÜCKWÄRTS ist da, Vorwärts (TITE-Rec 002) zeigt das, ganz anders gepolt. Gschlößl hat, wie auch bei Vierergruppe Gschlößl, Ammoniaphone, Gulf Of Berlin und Der Moment, Johannes Fink an der Seite. Der Erlanger spielt ansonsten mit Daniel Erdmann, Eric Schaefer + Demontage oder der Rolf Kühn Unit Bass, hier aber etwas fingerspitzer Cello. Der Bass ist in den guten Händen von Maike Hilbig, die sich seit 2012 mit Silke Eberhard als Matsch & Schnee einen Namen macht. Zu Anfang fallen sie gekonnt ganz aus der Zeit mit gießkannenbluesigem, stringpikatem Downtempo-Swing. Das ist retro und auch wieder nicht, wie auch der folgende ‚Schönefeld Tegel‘-Groove, weil die altbekannten Phrasen ganz tongue-in- cheek aufgegriffen und aufs süße Brot geschmiert werden. Klingen sie da, hm, früher hätte man ‚kess‘ dazu gesagt, so quakt und schlabbert Gschlößl gleich wieder wie in den Zeiten, als man totgekauten Kautabak in Spucknäpfe flatschte. Das Cello summt um Bienenstöcke und Soft Drinks, Hilbig lässt die Finger singen, blecherne Percussion geht wohl auf Gschlößls Kappe. Der Stoff ist nicht nur abgehangen, er ist auch fein und fast zum Mitsummen auskomponiert. Fink ist, selbst pizzicato, nicht weniger sanglich als die melodienselige Posaune. Die Töne tanzen Hand in Hand, auch wenn drunter die Füße wirbeln und Wechselschritte einlegen. Lieber noch räkeln die drei sich samtig und träumerisch, aber gegen allzuviel Kuschelei setzt Gschlößl einen komisch zirpenden oder breitmaul- froschigen V-Effekt. Es klingt, als wäre der Schah nie auf Berlin-Besuch gewesen, ja als hätte es doch eine ganz andere Zeit gegeben, weil das 1000jährige Reich nie stattgefunden hat. Es endet mit einem wehmütigen Tango mit wieder komischen Störungen. Vorwärts, Kameraden, wir müssen zurück? Das wahre Wesen der Nostalgie ist die Trauer über nie genutzte Möglichkeiten.
MAIKE HILBIGs
VORWÄRTS/RÜCKWÄRTS
(vorwaerts/rueckwaerts; engl: forward/backward)
Maike Hilbig bass
Johannes Fink cello
Gerhard Gschlössl trombone
The idiosyncrasy of this jazz trio is the immediate communication in a chamber musical way mainly driven by melody, dynamics and sound. Each of the three participants acts as a bandleader, a composer and a soloist. One of the groups’ goals is to make each piece their own, so that they sound tailor made for the ensemble and the individual musicians.
The combination of cello, trombone and double bass, together with the special improvisational skills of the musicians, creates a very warm and atmospheric sound which achieves an extraordinary result.
MAIKE HILBIGs
VORWÄRTS/RÜCKWÄRTS
(vorwaerts/rueckwaerts; engl: forward/backward)
Maike Hilbig bass
Johannes Fink cello
Gerhard Gschlössl trombone
The idiosyncrasy of this jazz trio is the immediate communication in a chamber musical way mainly driven by melody, dynamics and sound. Each of the three participants acts as a bandleader, a composer and a soloist. One of the groups’ goals is to make each piece their own, so that they sound tailor made for the ensemble and the individual musicians.
The combination of cello, trombone and double bass, together with the special improvisational skills of the musicians, creates a very warm and atmospheric sound which achieves an extraordinary result.
Foto: Christine Wick